Das Seminar mit Sandra Dünschede findet vom 6. bis 8. Februar 2026 in der Nordsee Akademie statt. Mehr Informationen finden Sie hier.
Herle Forbrich: Viele Menschen schreiben gern, fühlen sich aber von einem ganzen Roman überfordert. Was reizt Sie persönlich an der Kurzgeschichte – und warum eignet sich diese Form so gut für den Einstieg ins literarische Schreiben?
Sandra Dünschede: An der Kurzgeschichte reizt mich die Konzentration: In wenigen Seiten kann man eine starke Stimmung, eine überraschende Wendung oder einen prägnanten Moment gestalten. Die Form ist kompakt, direkt und lässt viel Raum zum Experimentieren. Für Einsteiger eignet sie sich, weil sie überschaubar ist: Man braucht keine komplexe Romanarchitektur, sondern arbeitet mit einem klaren Fokus – einer Figur, einem Konflikt, einem Augenblick. So lassen sich grundlegende erzählerische Techniken üben, ohne sich zu verlieren. Und: Man hat schnell ein fertiges Werk, was enorm motiviert.
HF: Woran erkennt man aus Ihrer Sicht eine gelungene Kurzgeschichte? Gibt es bestimmte Merkmale, die besonders wichtig sind?
SD: Eine gute Kurzgeschichte hat einen klaren Fokus, präzise Sprache und eine sofort spürbare Stimmung. Die Figuren wirken trotz Kürze lebendig, es gibt einen markanten Wendepunkt, und der Schluss lässt Raum zum Weiterdenken, ohne beliebig zu wirken.
HF: Viele Teilnehmende Ihres Workshops sind Schreibanfängerinnen und -anfänger. Wie helfen Sie ihnen, Zugang zur Form der Kurzgeschichte zu finden?
SD: Ich helfe Schreibanfängerinnen und -anfängern, indem ich die Kurzgeschichte als leicht zugängliche, spielerische Form vermittle. Wir beginnen mit kleinen Übungen und klaren, einfachen Werkzeugen, damit schnell erste Texte entstehen. Gleichzeitig zeige ich, dass Schreiben ein Handwerk ist: Man kann Techniken lernen, ausprobieren und verbessern. Durch kurze Schreibimpulse, gemeinsames Lesen und konstruktives Feedback entwickeln die Teilnehmenden Schritt für Schritt Sicherheit und ein Gefühl dafür, wie eine Kurzgeschichte funktioniert.
HF: Wie entwickeln Sie selbst Ideen für Kurzgeschichten? Gibt es einen Moment, an dem Sie wissen: „Daraus kann eine Geschichte werden“?
SD: Ich bekomme Ideen oft aus kleinen Alltagsbeobachtungen: ein Satz, der aufgeschnappt wird, ein seltsamer Blick, ein ungewöhnlicher Moment. Manchmal ist es auch ein Gefühl oder eine Frage, die hängen bleibt. Der entscheidende Moment ist für mich, wenn etwas „kippt“ – wenn ich spüre, dass hinter der Beobachtung ein Konflikt, ein Geheimnis oder eine überraschende Wendung steckt. Dann merke ich: Hier beginnt eine Geschichte.
HF: Viele Schreibende wünschen sich, mit ihren Texten einmal Anerkennung zu finden. Kurzgeschichtenwettbewerbe bieten dafür eine Möglichkeit, sind aber oft wenig bekannt. Was raten Sie Menschen, die eine Teilnahme in Erwägung ziehen? Und welche Erfahrungen haben Sie selbst damit gemacht – auch dann, wenn man nicht gewinnt?
SD: Ich empfehle, Wettbewerbe als Übungsfeld zu nutzen: Man bringt einen Text wirklich zu Ende, überarbeitet ihn gründlich und lernt dabei viel über das eigene Handwerk. Wichtig sind realistische Erwartungen – viele Einsendungen bedeuten, dass Nicht-Gewinnen normal ist und nichts über die Qualität des Textes aussagt. Kleinere, thematische Wettbewerbe eignen sich gut für den Einstieg, und das genaue Lesen der Vorgaben hilft enorm. Aus eigener Erfahrung weiß ich: Auch Absagen bringen einen weiter, Platzierungen motivieren – und beides stärkt letztlich das Schreiben.
HF: Sie sind vor allem bekannt für Ihre Nordfriesland-Krimis, haben sich aber auch einen Namen als Leiterin von Schreibseminaren gemacht. Wie unterscheidet sich das Schreiben einer Kurzgeschichte vom Schreiben eines Krimis? Oder gibt es auch Krimis in Form einer Kurzgeschichte?
SD: Kurzgeschichten unterscheiden sich vom Krimi vor allem durch Umfang und Fokus: Krimis brauchen komplexe Handlung, Figurenentwicklung und Spannung über viele Seiten, während Kurzgeschichten einen Moment, eine Wendung oder ein Bild verdichten. Ja, es gibt auch Krimis als Kurzgeschichte – kleine, pointierte Fälle mit überraschender Auflösung, die perfekt zum Üben und Experimentieren geeignet sind.
Vielen Dank!
👉 Zum Seminar „Kurz und direkt – ein Workshop zur Kurzgeschichte“ (6.-8.2.2026)
Mehr Informationen über die Autorin Sandra Dünschede auf ihrer Webseite.
(Foto: Gesche Jäger/www.geschejaeger.de)